Sand, Steine, Sand – Zwei Bavaren in der Wüste

Nachdem es diverse Mitglieder unserer lieben Bavaria schon an die verschiedensten Ecken dieser Welt verschlagen hat (sei es Indien, Singapur, Norwegen oder Brasilien) sind nun zwei von uns in der Wüste gelandet – genauer gesagt in der jordanischen Wüste. Da unsere Couleurdame Judith dort in Madaba ihr Auslandssemester absolvierte, haben Emil und Dominik mal kurzerhand beschlossen, sie für zwei Wochen zu besuchen. Es sollte für alle Beteiligten eine unvergessliche Reise werden.

Schon im Landeanflug überraschte uns das Land mit seiner Schönheit: im Sonnenuntergang überflogen wir die israelische Mittelmeerküste, das Tote Meer und die Wüstenlandschaft und landeten in Amman.

Gleich für den ersten Tag hatten wir eine Wandertour in Ajlun gebucht, wo es zu unserer Überraschung sehr grün war. Kein Wunder, schließlich hatte die Regenzeit gerade erst geendet. Überraschungen gab es aber noch weitere: so lagen zwischen dem allgegenwärtigen Müll einige Tierknochen herum, die Guides kochten mitten im Wald Chai für uns und zum Schluss durften wir einen ordentlichen Hügel hinaufdampfen, um wieder zum Bus zu kommen. Zurück in Amman gönnten wir uns erstmal ein typisch arabisches Essen: Hummus, Foul, Falafeln und Fladenbrot – und natürlich Chai dazu. In Summe belief sich die Rechnung auf 7 JOD für vier Personen, ungefähr 8,40€. Um das Ganze in Relation zu setzen: wir haben später in einem Club 8 JOD für einen (!) Wodka-Shot ausgegeben.

Nachdem am nächsten Tag auch noch die letzte Dame zu uns gestoßen war konnten wir auf Erkundungstour durch das Land gehen. Los ging es in Madaba, unserem „Stützpunkt“. Von hier aus ist es nicht weit zum Berg Nebo, von welchem aus Moses angeblich zuerst ins Heilige Land sehen durfte. Da es dort so gut wie immer diesig ist dürfte Moses wohl ein bisschen enttäuscht gewesen sein – ebenso wie wir, als wir von einem der ansässigen Mönche von unserem Platz vertrieben wurden, wo wir den Sonnenuntergang anschauen wollten. Dafür gab es eine abenteuerliche Heimfahrt per Anhalter in einem definitiv nicht mehr TÜV-tauglichen Kleinbus, der verdächtig nach Ziege müffelte. Auch das Abendessen sollte für uns zu einem Abenteuer werden: Es gab Mansef, das jordanische Nationalgericht. Im Endeffekt ein großer Berg Reis, auf dem in Joghurt gekochtes Lammfleisch liegt und der mit einer Soße begossen wird. Die Kunst ist es jetzt, mit der rechten Hand ein Stückchen Lammfleisch abzuzupfen, dieses in Reis einzuhüllen und mit kreisenden Handbewegungen eine Kugel daraus zu formen. Bei fast 15 Menschen, die um drei Platten standen war es ein sehr lustiges Bild.

Nun sollte der vorläufige Höhepunkt unseres Trips folgen: eine Tagestour nach Israel. Da man nicht mit einem ausländischen Auto in Israel fahren darf wurde alles über einen Reiseveranstalter abgewickelt, was uns besonders bei der Abholung und dem Grenzübertritt eine kleine Nervenprobe abverlangte. Drüben lief dafür alles super: wir hatten zu fünft einen Kleinbus mit eigenem, sehr redefreudigen Fahrer und durften uns die wichtigsten Orte des nördlichen Israel anschauen. Erste Station war dabei die angebliche Taufstätte Jesu im Jordan. Dabei waren vor allem drei Dinge interessant: Zuerst einmal fiel auf, dass der Jordan so kurz vor dem Toten Meer nicht mehr als ein kleines Flüsschen ist, das kaum Wasser führt. Durch dieses kleine Flüsschen lief eine Schwimmschnur, die die Landesgrenze zwischen Israel und Jordanien darstellte – ein Witz wenn man bedenkt, dass wir gerade durch einen mehrere Kilometer breiten Streifen Niemandsland die Grenze passieren mussten, der vor Checkpoints, MG-Stellungen und schwer bewaffneten Soldaten nur so wimmelte. Das dritte Auffällige waren die vielen Menschen im weißen Überwurfkleid, die von einem Priester wie am Fließband getauft wurden (wer schon mal den ganzen Tag im Schwimmbad war kann sich wohl vorstellen, wie die Füße des Priesters aussehen müssen…). Durch das Westjordanland ging es weiter in die Heilige Stadt Jerusalem, die nur mit israelischem Kennzeichen befahren werden darf. Bei der Führung durch die beeindruckende Altstadt konnten wir in krassem Kontrast zum Rest der Fahrt sehen, wie friedlich Religionen nebeneinander existieren können. Hier in der Altstadt spiegelte jeder einzelne Stein Geschichte wieder. Besonders eindrucksvoll zeigte sich die an der Via Dolorosa, dem inzwischen wissenschaftlich erwiesenen Weg Jesu Christi bei seiner Hinrichtung. Wir gingen antichronologisch vor, fingen also bei der Grabeskirche an. Vorher schlecht vorstellbar, aber wir waren froh, in der Kirche einen Führer zu haben, da wir uns sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit darin verlaufen hätten. Die fünf bis sechs Stunden Wartezeit, um direkt an die Grabplatte des Grabes Jesu zu kommen, schenkten wir uns allerdings. Dafür ging es durch das Gassengewirr der verschiedenen Viertel zu einem ganz anderen, noch viel beeindruckenderen Heiligtum: der Klagemauer. Wer jemals in seinem Leben seine Hand an dieser Wand hatte und die Augen geschlossen hat, wird nie mehr an der Existenz einer göttlichen Macht zweifeln. Fremd fühlt man sich jedoch schon beim Anblick der unzähligen strenggläubigen Juden, die an dieser Mauer beten – allerdings nicht im Negativen, sondern eher in einer Art Film, als Außenstehender aus einer anderen Welt. Leider durften wir die heiligen Stätten des Islam auf dem Tempelberg nicht besichtigen, da der Zutritt bis auf wenige Ausnahmen nur Muslimen gestattet ist. Und auf einmal nehmen die ganzen Bilder aus den Nachrichten über die Streitereien im Heiligen Land Farbe an. Unser Weg führt uns weiter zum Ort des letzten Abendmahles, wo uns wieder der Friede gezeigt wurde: auf dem Dach des Nachbargebäudes saßen jüdische Jugendliche und machten Musik – nicht um Touristen abzuzocken, sondern sichtlich aus Freude. Zu unserer weit größeren Überraschung stand gegenüber eine deutsche Kirche, die der evangelische Kaiser Wilhelm II. den Katholiken geschenkt hatte.

Sobald wir allerdings wieder im Auto und auf dem Weg nach Bethlehem waren, war es aus mit dem Frieden: wir passierten die israelische Grenzmauer zu Palästina, bei deren Anblick Walter Ulbricht verlegen geschaut und Donald Trump vor Freude gestrahlt hätte. Auf der palästinensischen Seite finden sich, ähnlich der East Side Gallery, viele bekannte Grafittos, Aufschriften und Parolen. Unter anderem konnten wir ein paar Werke von Banksy entdecken. Noch ganz beeindruckt von dieser anderen Seite der Israelis betraten wir die Geburtskirche, die wieder in verschiedene Teile gegliedert ist. Die Heimfahrt führte uns durch das Westjordanland nach Jericho, der ältesten Stadt der Menschheit. Auf dem Weg dahin wurde uns einiges mit andere Augen klar: zum einen konnten wir die Geschichten aus der Bibel, die sich ja alle hier abgespielt hatten und immer bloß eine entfernte Vorstellung waren, auf einmal mit ganz anderen Augen sehen. Zum anderen sahen wir aber auch Palästina mit anderen Augen, und vor allem das Handeln Israels.

Der folgende Tag sollte uns in die entgegengesetzte Himmelsrichtung führen: es ging nach Osten in Richtung Azraq, fast bis zur irakischen Grenze. Auf dem Weg dorthin findet man die sogenannten Wüstenschlösser, kleine Stützpunkte der Umayyaden-Dynastie. Am mit Abstand beeindruckendsten ist das Weltkulturerbe Qsair Amra: in einem römischen Bad in der Wüste (alleine das ist schon Wahnsinn) befinden sich uralte islamische Wand- und Deckengemälde. Von Jagdszenen, Gesichtern und – Salafisten bitte gut festhalten – nackten Frauen. Islamische Gemälde, wohlgemerkt. Durch die abgelegene Lage ist dieser kleine Ort in Vergessenheit geraten und hat den Bildersturm des späteren Islams unbeschadet überstanden, konserviert im Wüstensand. Leider weniger unbeschadet ist die Oase Azraq – der Großteil des Wassers landet in Amman. Es ist beeindruckend zu sehen, wie hier Wassertankzüge herumfahren. Und noch ein Aha-Erlebnis hielt dieser Tag für uns bereit: auf dem Rückweg kamen wir an einem Flüchtlingslager vorbei. Einem richtigen Flüchtlingslager. Für fast fünf Autominuten sah man nur noch eine Wüste aus weißen Zelten, umgeben von einem Zaun, mitten im Nirgendwo.

Nach dem Ausflug in den Westen ging es nun wieder nach Osten: zum Toten Meer. Da dieses bekanntlich der tiefste begehbare Punkt der Erde ist mussten wir erstmal auf abenteuerlichen Wegen hinabfahren. Dann die interessante Überraschung: von dem Spa aus, in das wir uns einbuchen mussten, fuhr ein eigener Bus zum Strand. Das Wasser war seit dem Bau des Hotels (und das war ein sehr modernes Hotel!) so weit zurückgegangen, dass dieser Bus nötig war. Dann war es endlich soweit: stimmen die Geschichten? Ja, tun sie. Man kann im Wasser liegend Arme und Beine aus dem Wasser heben. Und man kann aufrecht im Wasser gehen, um vorwärts zu kommen. In seinem eigenen Interesse sollte man aber nicht länger als eine halbe Stunde im Wasser bleiben.

Nach Ost und West folgte als nächstes Nord: es ging nach Jerash, zu den Ruinen der alten Römerstadt Gerasa. Während beispielsweise in Rom alles zwischen moderner Bebauung liegt, ist es in Jerash ein riesiges Areal mitten in der Stadt, das besichtigt werden kann. Besonders beeindruckend ist das Theater, wo man noch heute vom akustischen Mittelpunkt einen unbeschreiblichen Hall seiner eigenen Stimme hört.

Um alle Himmelsrichtungen gleich zu behandeln war nun auch endlich der Süden an der Reihe: wir fuhren zur alten Kreuzritterburg Kerak. Der Weg dorthin führte uns über den Desert Highway, parallel zur legendären Königsstraße. Kerak selbst war zwar geschichtlich extrem interessant, aber doch ein bisschen enttäuschend: es gab so gut wie keine Hinweisschilder oder Erklärungen, sodass wir auf eigene Faust durch die Ruinen, Tunnel und auf die Mauern kletterten.

Nun sollte es zum wirklichen Höhepunkt der Reise kommen: die Fahrt in den Wadi Rum, bekannt aus „Lawrence von Arabien“: wir hatten eine Jeeptour durch diesen Teil der Wüste gebucht, und wurden beeindruckt von deren Schönheit: von hellgelb bis dunkelrot gab es alle Zwischenfarben an Sand und Fels. Auf der Plattform des Jeeps, mit Turbanen und Sonnenbrille ausgerüstet und mit einem Bier in der Hand ließ es sich gut aushalten. Stopps gab es an einer Kameltränke, einem Canyon, einer Düne und zwei Bögen, die “Poserbilder” geradezu provozierten. Doch das Beste sollte noch kommen: der Sonnenuntergang. Wir hielten an einem Felsen, kletterten hinauf und durften einen der beeindruckendsten Sonnenuntergänge unseres Lebens bewundern. Darauf natürlich ein Zipfel! Mit Einbruch der Dunkelheit ging es in ein Camp, wo wir bei einem Beduinen übernachteten. Neben dem obligatorischen Chai, der hier irgendwie noch süßer war, gab es ein traditionelles, im Sand gegartes Abendessen. Vor dem Übernachten im Beduinenzelt nutzten wir die Gelegenheit, einen atemberaubend klaren Sternenhimmel zu sehen – in der absoluten Stille der Wüste ein geradezu magischer Moment!

Früh am Morgen mussten wir leider schon zurückfahren, um rechtzeitig weiterzukönnen. Schließlich wartete eines der neuen sieben Weltwunder auf uns: Petra, die legendäre Hauptstadt der Nabatäer. Lawrence von Arabien schrieb darüber „Petra ist der herrlichste Ort der Welt.“  und war der Meinung, jede Beschreibung müsse vor dem eigenen Erleben der Stadt verblassen. So ähnlich ist es auch: die Stadt, komplett in den Felsen gelegen, kann gar nicht treffend beschrieben werden. Besonders das „Kloster“, das größte Gebäude Petras, raubt einem den Atem. Was den Eindruck allerdings stark trübt sind die vielen Nervensägen, die den Touristen ans Geld wollen: Eseltouren hier, Kameltouren da, die immergleichen Souvenirstände, völlig überteuerte (Über-)Lebensmittel, eine räuberische Jugendgang und eine untätige Tourismus-Polizei trüben leider das Erlebnis der Stadt.

Für einen richtigen Urlaub fehlt natürlich auch noch ein richtiges Meer. Darum fuhren wir noch nach Aqaba, wo sich ein kleiner Keil Jordanien zwischen Israel und Saudi-Arabien drängt. Das Korallenriff direkt vor der Haustür lud natürlich zum Tauchen ein, was wir bei Kosten von gerade mal 35€ pro Person ohne zu Zögern machten. Mit dem Great Barrier Reef kann dieses kleine Korallenriff natürlich nicht mithalten, ein Erlebnis war es aber trotzdem. Und noch einen weiteren Vorteil hatte Aqaba zu bieten: Alkohol ist billig. Wir bunkerten also vor der Rückfahrt noch einen hübschen Vorrat für das Hauptquartier im Kofferraum, bevor es durch die Wüste wieder nach Madaba ging.

Den letzten Tag verbrachten wir noch einmal in Amman, der quirligen Hauptstadt des Königreiches. Römische Ruinen, eine moderne Moschee, Gewürze shoppen und schöne Gewänder bewundern waren unsere Tagesbeschäftigung, bevor es wieder zurückging.

Alles in allem war es ein Eintauchen in eine völlig andere Welt und eine völlig andere Kultur. Während wir als Deutsche über viele Dinge nur ungläubig den Kopf schüttelten, sei es die enorme Müllverschmutzung, das abenteuerliche Autofahren, der teilweise sehr ärmliche Lebensstil oder religiöse Strenge, so waren andere Dinge eine höchst angenehme Überraschung: die freundlichen Polizisten, die Schönheit der Landschaft, die Gastfreundlichkeit der Menschen und noch vieles mehr. Es war eine Reise, der einem die Augen öffnet. Und definitiv Lust macht, noch einmal dorthin zu reisen.


Abenteurer Dominik ist dieses Mal nicht alleine – Auch Emil hat es mit ins Jordan Land verschlagen. Kurz vor dem Ende der Semesterferien berichten sie von ihrer zwei wöchigen Reise in Jordanien.


In der Rubrik „Aktive berichten…“ schreiben aktive Mitglieder der Bavaria über gesellschaftsrelevante Themen, über ihre Erfahrungen und geben Ratschläge zu diesen Inhalten.