Vom Flachland in die Berge – Mit einem Sauerländer ins Gebirge
Wenn man in einem Bundesland geboren wird, in dem eine 1000 Meter hohe Erhebung noch als „Hügel“ bezeichnet wird, ist es natürlich unvermeidlich, dass man am liebsten jeden Tag einen Berg bezwingen und die herrlich frische Höhenluft schnuppern würde. Für einen Bayern ist Bergsteigen schon fast so etwas wie für einen Berliner die Fahrt zum Wannsee. Entsprechend wächst die Sehnsucht nach einem Punkt, der etwas höher über dem Meeresspiegel liegt, natürlich mit jedem Tag an, den man im Flachland verbringt.
Seit Oktober bin ich nun in Berlin, und endlich hatte sich wieder eine gute Gelegenheit ergeben, um in die alte Heimat zu reisen: ein sehr guter Freund aus Berlin wollte sich mal das „Ausland“ ansehen und besuchte mit mir meine Heimatstadt. Und natürlich bietet man dem Gast alles, was dazu gehört: Schweinebraten, Brezen, Kleinstadtflair, eine komplette Einkleidung in bayerischer Tracht, ein Eintauchen in unsere Wirtshauskultur – und natürlich Bergsteigen. Um das Ganze möglichst human zu gestalten (schließlich war es für unseren Sauerländer das erste „richtige“ Bergsteigen) ging es auf den Herzogstand. Dieser Berg liegt malerisch über dem Walchensee und ist mit nur 1731m Höhe und einer Seilbahn zum Runterfahren bestens als Einstiegsdroge geeignet. Und es gibt relativ einfache Wege hinauf.
Nach dem Kaltstart am Sonntagmorgen (wir hatten planmäßig die Nacht in der Dorfdisco verbracht, sprich nur sehr wenig Schlaf gehabt) ging es über München in Richtung Südwesten. Der Himmel hatte schon jetzt Mitleid und schickte uns als Motivation einen strahlend weißblauen Gruß. Am Parkplatz der Herzogstandbahn wurde es dann ernst. Es ging über einen roten Steig, sprich eine relativ einfache Strecke. Meine Ankündigung, dass die ersten 200 Meter nicht schön werden, hätte ich wohl noch etwas präziser formulieren sollen: die ersten 200 Höhenmeter. Entsprechend ging es dem armen Gipfelstürmer in spe auch nicht anders als so vielen vor ihm: es war nicht schön. Aber tapfer hielt er durch hielt recht gut mit einem bayerischen Freund und mir mit. Nur mit etwas weniger Atem.
Doch die Belohnung ließ nicht lange auf sich warten: nach nicht einmal zweieinhalb Stunden standen wir am Gipfelkreuz. Dort wartete, nach alter Tradition, der Gipfelschnaps – und schon war die Welt wieder in Ordnung und man konnte den herrlichen Ausblick genießen. Unter uns lag türkisblau der Walchensee, an ihn anschließend konnte man über Kochelsee und Staffelsee sogar den Olympiaturm von München in der Ferne ausmachen. Hinter uns türmten sich die Alpen. Ein herrlicher Ausblick, der für die Strapazen (zumindest seine) vollauf entschädigte.
Bevor es mit der Seilbahn wieder hinunterging, gab es natürlich in der Berghütte noch eine wohlverdiente kleine (flüssige) Stärkung. Ein wunderschöner Tag in den Bergen.
So viel aus meiner Sicht. Jetzt zu seiner:
Ab in die Berge. Nicht das ein Ausflug nach Bayern für mich etwas komplett Neues wäre, aber so wirklich einige Tage nur in der bayerischen Kultur, mit Bayern und ohne Touristen und internationalem Flair habe ich tatsächlich noch nicht erlebt. Für mich stand fest, wenn Du schon in einer bayerischen Studentenverbindung eingetreten bist, dann musst Du auch mal das „richtige Bayern“ kennenlernen. Wie witzig, dass so viele Bayern mir schon oft versucht haben zu erklären, dass die Landkreise Franken, bayerisches Schwabenland, ja sogar München selber, nicht das wirkliche Bayern repräsentieren. Für einen richtigen Bayer angeblich das Ausland. Hach habe ich immer herzlich gelacht, wenn man mir das weiß machen wollte.
Welch Zufall, dass seit dem letzten Wintersemester ein waschechter Bayer bei uns in Berlin studiert. Ein echt guter Freund ist er für mich geworden und so war für uns klar: Ein Abstecher in seine Heimat musste sein. Nach Pfaffenhofen an der Ilm um genau zu sein. Für drei Tage ging es also runter und wir hatten das beste Wetter, was man sich hätte wünschen können. Wir trafen Schulfreunde von ihm, aßen beste bayerische Küche gemacht von der Familie natürlich, machten einen Abstecher im Trachtenladen (wo ich endlich meine seit Jahren herbeigesehnte Lederhose gefunden habe) und feierten wie man es eben im Dorf so tut. Mein persönliches Highlight war aber der anstehende Ausflug in die Berge.
Ja es stimmt. Im Sauerland sind die Berge nicht so hoch, aber es gibt sie. Sogar Skifahren kann man bei uns. Trotzdem kenne ich doch eher das Flachland – und ich liebe es. Schau in die Ferne, im Münsterland, in Brandenburg oder in Westfalen. Im Herzen hat mir das immer ein Gefühl der Heimat gegeben – so bin ich aufgewachsen. Und trotzdem kann ich es nicht lassen, auch mal was ganz anderes zu erleben. Die richtigen Berge. Der Herzogstand sollte es sein, dorthin wollte mich mein bayerischer Freund mitnehmen. Jut sagte ich und freute mich auf das Wandern. Frische Luft, eine schöne Aussicht und etwas Betätigung – was will man mehr? Also ins Auto und los. Nach eineinhalb Stunden waren wir da und die Sonne sorgte schon zur frühen Stunde, dass es ganz schön warm war.
Ave Maria! Nach den ersten Metern hatte ich mir gedacht, wie man nur so dumm sein kann und sich so etwas antut. Meine Beine waren definitiv nicht an das Bergsteigen gewöhnt, aber später bemerkte ich, dass es eher meine Kondition war, die mich fast umhaute. Kaum Luft, leichter Schwindel und alles was man so hat, wenn man überfordert ist. Ja… aus mir ist leider schon ein richtiger Städtler geworden. Berlin und seinem ÖPNV sei’s gedankt… nicht. Für mich war aber klar: Aufgeben ist nicht. Und den bayerischen Buben zeige ich, dass auch ein Sauerländer aus Berlin das schaffen kann. Also wurde ganz einfach und pragmatisch an dem gespart, was nicht so wichtig war: Meine Worte. Es fiel schon ziemlich schnell auf, dass ich so still geworden war, aber das war mir egal.
Nach knapp mehr als zwei Stunden war es dann geschafft. Das Gipfelkreuz des Herzogstands… Wow. Und auf einem Schlag vergisst Du die Müh, die Arbeit und das Fluchen vom Weg zuvor. Ja, es hat etwas Magisches und ich habe in den Augen der anderen gesehen: auch nach mehrfachem Erklimmen eines Berges, dieser Moment ist bedeutsam und faszinierend. Wir tranken unseren Gipfelschnaps, ein Bier und lachten schon über unsere nächsten Ideen, als wir den Berg herunter stapften.
Eines ist sicher: Es war nicht mein letzter Berg und auch nicht das letzte Mal in Bayern.
Darauf verwette ich meinen Flachlandhintern aus’m Sauerland! – Und das nächste Mal, sorge ich dafür, dass auch der Bayer mal an seine Grenzen kommt. Welche, das muss ich noch herausfinden.
Dominik und Patrick berichten von ihrem gemeinsamen Wochenende in Bayern und dem Erklimmen des Herzogstands.
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