In der Hölle – Zimmerbrand aus der Sicht eines Feuerwehrmannes

Jeder von euch hat bestimmt schon einmal gelesen, gesehen oder gehört wie die Feuerwehr Brände löscht. Aber bestimmt können sich nur die wenigsten vorstellen, wie es tatsächlich ist, mitten in der für den Brandleider persönlichen Katastrophe zu stecken, die am Ende auf einen kleinen Absatz in der Zeitung zusammengefasst wird. Damit ihr euch das Ganze anschaulicher vorstellen könnt, habe ich meine Erfahrungen von einem Brand aufgeschrieben, bei dem ich letzhin an vorderster Front dabei war.

Es war Sonntagabend, ein entspannter Tag neigte sich dem Ende zu und ich saß mit einer Bekannten in meinem Zimmer und suchte nach passenden Rezepten für eine Geburtstagsparty. Die Entspannung wurde wie so oft jäh durch einen Einsatz unterbrochen: zur Alarmierung hat jeder Feuerwehrangehörige einen sogenannten Funkmeldeempfänger, den wir „Piepser“ nennen. Bei einem Einsatz werden diese nach einem bestimmten Muster von der Leitstelle angefunkt und geben einen Lärm von sich, der auch Tote aufwecken könnte. Danach folgt eine kurze Durchsage, die uns Ort und Art des Einsatzes nennt. Die Alarmmeldung dieses Mal lautete „Zimmerbrand“, was aber vom angebrannten Essen bis zu einem ganzen Haus in Flammen alles bedeuten konnte. Also ab ins Auto und mit Vollgas in die Feuerwehr heizen. Durch §35 StVO sind wir bei der Fahrt zum Gerätehaus berechtigt, die üblichen Verkehrsregeln mit gesundem Menschenverstand zu überschreiten.

Nachdem ich dort in voller Kleidung in die Uniform gehüpft war (was sich später noch als gute Entscheidung herausstellen sollte) ging der Lauf mit einem Haufen Zeug in der Hand zu den Fahrzeugen. So eine Feuerwehrmontur besteht aus ganz schön vielen Einzelteilen, die wir je nach Können in unter 20 Sekunden anlegen. Die Hose ist direkt über die Stiefel gestülpt, sodass man nur noch in diese hineinsteigen und die Hose hochziehen braucht. Unsere Spezialhandschuhe hängen am Mantel mit dran, sodass wir auch da Zeit sparen. Komplett macht das Ganze dann noch der typische Helm (auf dem in unserem Fall noch ein Schutzvisier montiert ist) und ein Gurt, an dem ein Haken zur Selbstsicherung und ein Beil angebracht sind. Da ich Brillenträger bin habe ich auch noch eine eigene Atemschutzmaske, in die ein Brillengestell in Sehstärke montiert ist. Um Zeit zu sparen läuft es oft so ab, dass man nur schnell in die Stiefel springt, die Hose hochzieht und den Rest der Ausrüstung einfach mitnimmt und sich im Fahrzeug fertig anzieht. In unserer Wache stehen diverse von diesen „Fahrzeugen“, die alle verschiedene Funktionen haben und nach einem genau festgelegten Plan ausrücken. Das erste Fahrzeug bei einem Brand ist das Löschfahrzeug (klingt logisch, oder?), welches aber schon voll besetzt war. Also rannte ich zurück zur Drehleiter – die natürlich auch gerade voll geworden war – und weiter zum 1. HLF, dem nächsten in der Reihenfolge. HLF steht für „Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug“ (keine Ahnung warum wir nur die Abkürzung verwenden) und beschreibt einen großen LKW, in dem so gut wie alles drin ist, was man in einem Einsatz egal welcher Art brauchen kann. „Gruppe“ heißt, dass neun Leute in so einem Gefährt Platz haben. Dieses HLF wurde gerade eben besetzt und ich setzte mich auf den Platz des Angriffstruppführers. In der Feuerwehr hat alles seine Ordnung, und deshalb gibt es für jeden eine genau festgelegte Aufgabe. Im Falle eines Brandes liegt die Aufgabe des Angriffstrupps (ein Trupp sind immer zwei Personen) darin, vermisste Personen zu suchen oder direkt mit dem Löschen zu beginnen. Um direkt eingreifen zu können, sind in unsere Sitze Atemschutzgeräte integriert, mit denen wir uns noch während der Fahrt ausrüsten können. Das ganze Procedere läuft mit der Zeit wie von selbst: Helm ab, Visier vom Helm nehmen, Gurte des Atemschutzgeräts anlegen, Maske aufziehen, Dichtigkeitsprüfung, Flammschutzhaube drüberziehen, Helm weiter stellen, Helm aufsetzen, Kragen schließen, Lampe anbringen, Funkgerät einstecken – fertig. In dieser Ausstattung schleppt man fast 20kg nur an eigener, überlebenswichtiger Ausrüstung mit sich herum.

Gerade als wir nach ungefähr zwei Minuten Fahrt fertig waren kamen wir am Einsatzort an. Als Angriffstrupp des zweiten Fahrzeugs hätten wir normalerweise den sogenannten Sicherungstrupp gestellt, wären also in voller Ausrüstung mit diversen Rettungsmitteln bereitgestanden, um im Falle eines Falles den Angriffstrupp des ersten Fahrzeugs retten zu können. Nur – das erste Fahrzeug war nicht da. Es gibt zwei Straßen mit fast demselben Namen in unserer Stadt, und die anderen sind falsch abgebogen. Dadurch waren wir auf einmal das erste Fahrzeug geworden – und die über die Straße ziehenden Rauchschwaden sagten uns eindeutig, dass es diesmal eine ernste Sache war. Beim Aussteigen sahen wir auf der Rückseite des Gebäudes aus einer Dachgaube meterhohe Flammen schlagen. Jetzt geht’s rund… Wir erhielten den Befehl, zum Innenangriff vorzugehen, also schnappten wir uns Schläuche und eine Axt und gingen zur Haustüre hoch. Das Haus lag an einem leichten Hang und hatte deshalb zwei Eingänge, einen für die Erdgeschosswohnung und einen für die darüberliegende – und nochmal darüber war das Halbdachgeschoss, in dem es brannte. Überall war schon Qualm zu sehen. Gottseidank erhielten wir sehr schnell die Bestätigung, dass keine Personen mehr im Gebäude waren. Wir kuppelten unseren Schlauch vor der Haustüre am Verteiler an (eine große Wasserleitung, von der bis zu drei kleinere abgehen), legten uns eine Leitung in den oberen Stock und deponierten unsere Schlauchreserve. Der Gedanke dahinter ist, dass man sich außerhalb der Gefahrenzone einen Vorrat an Schlauch legt. So ein wassergefüllter C-Schlauch ist sehr schwer (zieh mal eine Gummimatte mit 25kg Gewicht darauf kriechend über den Boden), deshalb legt man sich Buchten an erhöhten Positionen und zieht den Schlauch dann hinter sich her. Wenns denn diesmal so einfach gewesen wäre: das Haus war ein typischer Nachkriegsbau, welcher nur einen kleinen Treppenabsatz im oberen Stockwerk hatte – und der war mit allem möglichen Zeug vollgestellt, sodass unsere schönen Buchten halb die Treppe runterhingen. Das sollte uns später noch ganz schön zusätzlich ins Schwitzen bringen. Rechts neben der Treppe ging eine Tür in die Brandwohnung, die gerade weit genug offen war um sich durchzwängen zu können. Aus der Tür quoll schon dichter grau-brauner Rauch und es ging hübsch warm heraus. Jetzt geht’s so richtig los…

Ich griff das Strahlrohr und kroch auf allen Vieren in die Wohnung, mein Kamerad direkt hinter mir. Sofort war alles stockfinster. Obwohl der Kopf meiner Lampe nur zehn Zentimeter entfernt von meinem Gesicht war, konnte ich kein Licht erkennen. Ich wollte versuchen, die Tür weiter aufzukriegen, da sie unseren einzigen Fluchtweg darstellte, aber es lag so viel undefinierbares Zeug dahinter, dass ich es nach ein paar Grad Öffnungswinkelgewinn schnell aufgab. Also weiter Richtung Feuer. Das erste, was meine Hand am Boden ertastete, war ironischerweise ein Metallzylinder, den ich als Feuerlöscher identifizierte. Wir krochen weiter durch die mit jedem Zentimeter heißer werdende Dunkelheit aus waberndem Rauch. Wenn wir keine Atemschutzgeräte getragen hätten, wären wir nach einem Atemzug bewusstlos und nach dreien tot gewesen. Trotz dieses Bewusstseins waren unsere Köpfe klar und wir waren relativ ruhig. Wir wussten, dass uns Hektik oder Panik nur kostbare Luft kosten und uns mehr gefährden als das Feuer selbst. In dieser Situation arbeitet der Kopf nur noch in einem antrainierten Modus, der alles Unwichtige ausblendet; die Sinne sind extrem geschärft und mit jeder Faser des Körpers spürt man ein seltsames Gefühl der Aufmerksamkeit.

Der Boden war mit allem möglichen Zeug bedeckt und mit jedem suchenden Griff nach oben räumten wir irgendwelche Regale ab. Wir wussten, dass das Feuer links von uns sein müsste, aber wir fanden keine Türe oder Öffnung. Aber wir konnten das Feuer wüten hören und spürten seine Hitze – und es wurde tatsächlich immer noch heißer. Wir mussten jetzt ganz nah dran sein. Einmal fühlte ich eine glatte Fläche und mit direkt vor die Scheibe der Maske gehaltener Lampe erkannte ich eine weiße Tür – die sich allerdings als Kühlschrank entpuppte. Nach etwa acht Metern, die uns wie ein Marathon vorgekommen waren, befanden wir uns plötzlich in einer Sackgasse. Vorsichtig stand ich auf und ertastete diverse Oberflächen und eine Spüle, sowie jede Menge kleiner Gegenstände, die ich beim Abtasten runterwarf. „Siehst du ein Fenster?“ kam von hinten die Frage. Nichts. Ich sah gar nichts. Später war das Fenster keine 30cm von dem Ort entfernt gewesen wo ich gesucht hatte. Was uns aber neben dem erhofften Fenster eher interessierte: Wo zur Hölle ist das Feuer? „Zurück, wir suchen nochmal“ hörte ich und kroch wieder Richtung Eingang. Nach zwei Metern wusste ich, dass wir es gefunden hatten: direkt neben uns stand eine nun sichtbare Wand aus dunkelroten Flammen. Und gleichzeitig merkten wir, dass wir Unterstützung bekommen hatten: außerhalb des Gebäudes war ein Außenangriff im Gange, und die Kameraden spritzten mit einem weiteren Schlauch vom Garten in den Raum. Nach ein paar Sekunden kehrte sich unsere Freude allerdings schlagartig um: das Wasser wird beim Löschen kochend heiß, und genau in der verlängerten Linie von Feuer und Wasser krochen wir über den Boden in den Raum. Und natürlich wurden wir voll erwischt. Ich hielt mit dem Wasserstrahl auf die Decke, da dort die größte Hitze herrscht und man dabei die größte Löschwirkung erzielt und bahnte uns einen Weg in den Raum.

Nun waren wir also in der Hölle: rings um uns herum waren Flammen zu sehen, die Decke brannte und der Boden war über und über mit teils brennendem, teils frisch gelöschtem Schutt und Krempel bedeckt. Die Hitze war unbeschreiblich. Alles, einfach alles war heiß. Ich spürte durch sämtliche Kleidungsschichten hindurch wie mein linkes Schienbein gegrillt wurde. Jeder, der schon einmal in kurzer Hose an einem Lagerfeuer gestanden ist sollte dieses Gefühl kennen. Etwas weniger schlimm war es an den Händen und Knien, wobei ich versuchte soweit möglich nur auf den Stiefeln zu kauern. Ich versuchte nun so gut es geht mit dem Wasserstrahl die Flammen zu erreichen, und bald konnten wir den ganzen Raum erkennen: wir kauerten in einer brennenden Müllhalde. Das, was man im Schein der Lampen und Flammen erkennen konnte, war unwirklich: Die Gaube war durchgebrannt, und durch die entstandene Öffnung konnten Rauch und Hitze wenigstens teilweise abziehen. Ein hölzerner Fensterrahmen links der Gaube glühte und malte ein rotes Rechteck in den Rauch. Um uns herum war alles schwarz verbrannt oder eingerußt, und wie kleine Brennnesselnester loderten Flammensäulen aus Möbeln oder Schutthäufchen am Boden. Nun aber meldeten sich unsere Körper: wir mussten uns kurz in den Flur zurückziehen, um nicht wegzukippen. Die Hitze und die Anstrengung waren eine kombinierte Belastung, die selbst uns gut durchtrainierte Feuerwehrmänner an ihre Grenzen brachte. Nach einer Minute Durchschnaufen wechselten wir uns ab, sodass meine Aufgabe nun darin bestand, den Schlauch nachzuziehen. Beim erneuten Betreten des Raumes sah ich etwas, das mich trotz der schon gesehenen Verwüstung erstaunte: Ziegelsteine. Die Hitze war kurz zuvor so groß gewesen, dass es den Putz von der Wand gesprengt hatte. Und zwar genau da, wo wir jetzt herumkrochen. Der Boden strahlte nach wie vor eine wahnsinnige Hitze aus, gegen die uns nicht einmal unsere mehrlagige Spezialkleidung schützen konnte. Es war so heiß, dass ich keinen Unterschied bemerkte, als auf einmal eine Flammensäule direkt neben mir hochbrannte. Nach etwa fünf Minuten mussten wir erneut unterbrechen und zogen uns in die vorher entdeckte Küche zurück, wo wir zu unserer großen Freude endlich das kleine Fenster entdeckten. Nebenbei nutzten wir die Zeit für eine Meldung nach draußen.

Wieder zurück im Brandraum konnten wir immer mehr erkennen (unter anderem einigen Weihnachtsschmuck), waren aber am Ende unserer Kräfte. Deshalb war es für uns auch die größte Freude als es hieß, ein zweiter Trupp sei zu uns unterwegs. Wir konnten es kaum erwarten rauszukommen und löschten bis zur Ankunft unserer Unterstützung noch kleinere Brandherde. Blöderweise waren die nun übrigen kleinen Brände vom Boden aus nicht zu erreichen, sodass ich jedes Mal gebückt aufstehen und versuchen musste, den Schlauch soweit hochzuhieven, um die Flammen von oben zu erreichen. Hitze steigt bekanntlich nach oben, und während es beim Bergsteigen pro hundert Höhenmeter ein Grad Abkühlung gibt, können es bei einem Brand durchaus 10 Grad pro Zentimeter Erwärmung sein. Endlich waren die anderen da! Wir zeigten ihnen den Raum und gaben ihnen unser Strahlrohr, bevor wir in Richtung Flur gingen. Inzwischen war es dort weit genug abgekühlt um vollständig aufrecht gehen zu können. In der Küche erkannte man nun eine sehr unordentliche (und das waren nicht alles wir!) schwarz verrußte Küchenzeile und eine Essecke neben dem Flur, durch den wir gekrochen waren. So gut wie alles war schwarz verrußt. Im fahlen Schein meiner Lampe erschien an der Wand plötzlich ein blitzsauberes Schild mit der Aufschrift „Ordnung ist das halbe Leben – ich wohne in der andere Hälfte!“. Obwohl ich kurz vorm Umkippen war musste ich herzhaft lachen, es war einfach zu surreal. Die anderen hatten inzwischen die Tür zum Treppenhaus ausgehängt, sodass wir gut hinauskamen und uns durch ein Gewirr von Schläuchen die Treppe herunterarbeiten konnten. Ich fühlte mich wie nach einem Halbmarathon mit völlig übertriebenem Zielsprint. Tatsächlich hatte ich es nur in der Firefighter Combat Challenge, die ja genau das trainiert, geschafft, mich so zu verausgaben. Wir waren bald ein paar Schritte vom Haus entfernt und suchten uns die nächstbeste Möglichkeit zum Ablegen. Mein Kamerad schnappte sich einen Gartenstuhl, ich belegte einen Tisch. Wir legten die Helme ab, zogen unsere Masken herunter und atmeten die kalte, nach Brandrauch stinkende Luft in tiefen Zügen ein. Die fünf Grad kalte Winterluft auf unseren Gesichtern war herrlich. Als wir die Handschuhe auszogen merkten wir, dass unsere Uniformen ordentlich heiß geworden waren.

Noch bevor wir richtig entspannen konnten kamen unsere Führungskräfte und fragten uns nach der Lage da drin. Wir erfuhren, dass der Dachstuhl über uns richtig angefangen hatte zu brennen und dass nun das Dach abgedeckt werden müsse. Für uns war aber erstmal Schluss. Wir hängten uns unser Zeug um und gingen zurück zu unserem Fahrzeug. Abgekämpft wie Soldaten aus einer Schlacht boten wir einen bestimmt seeehr unsexy Anblick: die Helme offen und schief auf dem Kopf, das Atemschutzgerät halb am Rücken hängend, die Maske vor der Brust und alles an uns über und über voller Dreck und Ruß. Da meine Brille im Fahrzeug lag und die Maskenbrille selbsterklärend in der Maske hing war ich wieder halb blind und torkelte wie ein Betrunkener über die sehr verwirrend angelegten kleinen Gartenstufen, geblendet vom gemischten Licht diverser Scheinwerfer und Blaulichter. Zurück an unserem Fahrzeug klappten wir die Trittstufen herunter, legten unsere Ausrüstung und unsere Jacken ab und setzten uns erstmal wieder. Da man bei solchen Einsätzen massiv Flüssigkeit verliert, haben wir auf jedem Fahrzeug ein paar Getränkeflaschen, an denen wir uns nun gierig bedienten. Grob geschätzt haben wir wohl in den knapp 20 Minuten fast anderthalb Liter Flüssigkeit verloren. Langsam erholten sich unsere Körper, während sich die fünf Grad Außentemperatur immer noch wie ein lauer Sommertag anfühlten. Eine kleine Katzenwäsche am in das HLF integrierten Hygienebord fühlte sich ähnlich erfüllend an wie die erste Dusche nach einem Festival. Nach und nach erkannten wir, dass inzwischen fast der gesamte Fuhrpark unserer Feuerwehr am Einsatzort war. Ein Sondergerät war noch auf dem Weg: wir haben einen eigenen Abrollcontainer voller Atemschutzgeräte und Spezialanzüge für Strahlen- und Chemieunfälle, und in diesem sind auch – man höre und staune – Jogginganzüge. Und Crocs. Da unsere eigene Kleidung mit Rauch kontaminiert und durchgeschwitzt war, durften wir in die todschicken XL-Jogginganzüge hüpfen und uns mit den Crocs anfreunden. Mir hätte S oder M gereicht, entsprechend war in dem Anzug noch gut Platz und der Grad der Unsexyness wurde noch weiter in die Höhe getrieben. Beim Umziehen bemerkten wir, welche Spuren das Feuer an uns hinterlassen hatte: an meinem linken Stiefel war die Kappe vorne angeschmolzen, und mein linkes Schienbein war gut gerötet und fing langsam an zu schmerzen. Meinen Kameraden hatte es am rechten Unterarm erwischt. Wir gingen zum Rettungswagen, ließen uns Kühlpacks geben und setzten uns in den Mannschaftsraum unseres HLFs. Über den Funk konnten wir hören, dass ein Fachberater vom THW alarmiert wurde. Also musste das Dach doch ordentlich mitgenommen sein. Jetzt fing für uns die „langweilige“ Phase an: wir hatten unsere Aufgabe erfüllt, unsere Uniform lag draußen in Mülltüten eingepackt und wir konnten nicht mehr tun als sitzen zu bleiben und versuchen, nicht krank zu werden und unsere Verbrennungen zu kühlen.

Gegen zwei Uhr nachts durften wir mit einem anderen Fahrzeug heimfahren. Nach dem Aufrüsten des Fahrzeugs ging es nach Hause, nach einer mehr als notwendigen Dusche ins Bett und nach knapp anderthalb Stunden Schlaf in die Arbeit. Erst am nächsten Tag wurden mir viele Dinge über diesen Einsatz bewusst. Unter anderem bemerkte ich erst beim Frühstücken, dass meine Fingerkuppen und Teile der linken Hand ebenfalls gerötet waren, zudem der Nacken. Hier hatte uns das heiße Löschwasser an einer Schwachstelle verbrüht: zwischen Helm und Kragen hindurch war es an die Flammschutzhaube gelangt, die es natürlich aufgenommen hat. Trotz zweimaligem Duschen stanken meine Haare und sogar meine Haut noch fast drei Tage nach Rauch. Das war er also gewesen, mein erster richtiger Innenangriff. Ein komisches Gefühl war es schon, alles nun mit anderen Augen zu sehen. Ich ließ oft den Film in meinem Kopf nochmal durchlaufen und versuchte, unser Vorgehen als Gesamtbild und mit den späteren Informationen zu betrachten. Wie konnten wir die Öffnung zum Brandraum nicht gesehen haben? Was hätten wir ohne den Außenangriff gemacht? War es wirklich im Vergleich zu anderen Einsätzen so heftig, nur weil wir gleich beide leicht verletzt waren? Bin ich nicht fit genug, weil ich diese Belastung beinah nicht ausgehalten hätte, oder war es wirklich eine extreme Situation? Nüchtern betrachtet hatten wir ein relativ einfaches Szenario zu bewältigen gehabt: es gab keine vermissten Personen, alles war soweit gut zugänglich und da eh schon der ganze Raum gebrannt hatte gab es hier nicht mehr viel retten. Auf alle Fälle wird sich diese Erfahrung aber tief einprägen.
Nachtrag: laut Polizeibericht wurde das Feuer durch ein Streichholz verursacht, das die Bewohnerin beim Basteln versehentlich fallen gelassen hatte. Dabei entzündete sich Papier, von dem aus sich das Feuer rasend schnell im Zimmer ausbreitete, sodass der Löschversuch der Bewohnerin scheiterte. Die Feuerwehr war mit zehn Fahrzeugen 3:33 Stunden im Einsatz, das THW nach uns bis in die Morgenstunden. Dabei wurden 14 Atemschutzgeräte eingesetzt. Der Schaden wird von der Polizei auf 75.000€ geschätzt. Die Ausbreitung auf den Dachstuhl konnte sehr schnell abgewehrt werden. Mein Kamerad fuhr nach dem Einsatz noch ins Krankenhaus, ich spürte die Verbrennung am Schienbein noch drei Tage.

In dem YouTube-Video ist ein ähnlicher Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr Krems in Österreich zu sehen. In diesem Fall war es „nur“ eine brennende Küchenzeile, man kann sich aber hoffentlich gut vorstellen, wie das Ganze bei einem brennenden Raum ausgesehen hätte:


Dominik ist immer on fire… in der Freiwilligen Feuerwehr kann er Leben retten und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten…


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