Oben ohne unten durch – Eine Fahrt mit dem U-Bahn-Cabrio

Ja, Berlin ist einzigartig. Und das in ziemlich vielen Belangen. Eine weltweit einzigartige Attraktion konnten wir zu Viert am letzten Freitag austesten: Das U-Bahn-Cabrio.

Seit Ende der Neunziger bietet die BVG eine ganz besondere Fahrt mit den „Öffis“ an. Von Mai bis Mitte Oktober fahren jeweils am Freitag- und Samstagabend zweimal offene Züge mit Platz für 150 Personen durch den Untergrund. Dankenswerterweise wird dafür sogar das Tunnellicht angeschaltet, während ein Audioguide spannende Fakten und Geschichten zum Berliner Untergrund erzählt. So weit mal das, was wir vorher wussten.

Aus einer Laune heraus hatten wir vor Ewigkeiten vier Tickets für eine Fahrt in diesem abenteuerlichen Gefährt bestellt und waren nun gespannt auf das, was uns erwartet. Mit der U-Bahn zur U-Bahn-Tour fahren, ja klar. Am Freitagabend, während alle anderen anständigen Studenten feiern sind, ja klar. Zwei Stunden in der Kälte durch Tunnels gurken, ja klar. Na denn wolln wa ma.

Gleich beim Aussteigen aus der „eigentlichen“ U-Bahn an der Deutschen Oper standen wir schon vor dem Cabrio-Wagen. Schwer zu glauben, dass dieses Ding fast die gleiche Breite hat wie ein normaler Waggon, schließlich saßen hier nur zwei Reihen Rücken an Rücken längs zur Fahrtrichtung. Nach der Ausstattung mit einem Audioguide und todschicken gelben Bauhelmen ging es auch schon los, und mit den Erklärungen des Guides fuhren wir in die Nacht. Selbst mit Tunnelbeleuchtung war es stellenweise ganz schön duster. Wenigstens war der Fahrtwind trotz der atemberaubenden 35 km/h Höchstgeschwindigkeit gut erträglich. Gleich der erste Streckenabschnitt war schon ein Teil, den kein normaler Fahrgast je zu Gesicht bekommt: es ging durch einen Verbindungstunnel, welcher die U2 mit der U7 verbindet. Direkt am Ende wartete das erste von vielen Kehrwerken an diesem Abend; klar, mit einem Zug kann man schlecht die aus der Fahrschule bekannte Dreipunktwende ausführen.

Weiter ging es auf den Gleisen der U7, und natürlich auch durch die noch in Betrieb befindlichen Bahnhöfe. So ungefähr müssen sich die Filmstars auf der Berlinale fühlen: egal wo wir auch auftauchten, sofort waren am Bahnsteig Gejohle, Winken – und Handykameras. Aus dieser Perspektive hat man U-Bahnhöfe echt noch nie gesehen. Auch die Infrastruktur des Netzes, Kehranlagen, Abstellgleise, Versorgungsschächte, Verbindungstunnel, all diese Dinge wird ein normaler Berliner nie zu Gesicht bekommen. Sogar architektonische „Kunstwerke“ gibt es hier unten: die „Säulenkathedrale“ kann es definitiv mit manch moderner Kirche aufnehmen! Wem der Blick auf die endlos monotonen Betonwände langsam die Augenlieder zudrückt, der wird spätestens bei Vorbeifahren eines Zuges wieder aufgeweckt.

Sogar eine WC-Pause hatte uns die BVG zugestanden – das wäre doch auch mal was im Normalbetrieb, wenn der Zug wieder ewig Verspätung hat! Danach hatten wir zum ersten Mal in Berlin die Gelegenheit, auf der U8 unterwegs zu sein und keine Angst um unsere Geldbeutel haben zu müssen. Viele Einzelheiten zu den durchfahrenen Bahnhöfen wären uns dabei nie aufgefallen. So ging es entspannt wieder zurück auf der U7 und der U2 zur Deutschen Oper, und plötzlich waren wir wieder mit der „normalen“ U-Bahn unterwegs, auf den gleichen Gleisen, die wir vorher offen befahren hatten. U-Bahn-Fahren in Berlin ist sowieso schon ein Abenteuer, aber dieses war definitiv eines der Extraklasse. Auch wenn das Ticket mit 50€ dezent teurer als ein BVG Tagesticket AB ist kann diese Tour jedem Berliner (und allen, die es werden wollen) nur empfohlen werden. Denn sowas ist – wie Berlin – einzigartig.


Berlin hat viel zu bieten! Spannend wenn man die Stadt auch mal aus dem Untergrund kennenlernen darf. Mehr Informationen auf der Internetseite der BVG & YouTube


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Foto: Michael F. Mehnert