Sieben Tage ohne Essen – Heilfasten im Selbstversuch

„Hangry“, das ist wohl jeder mal. Das Gefühl, unbedingt etwas essen zu müssen kommt mal früher, mal später; bei dem einen schon nach zwei Stunden, andere halten einen halben Tag aus. Doch wie ist es, gleich mehrere Tage vollständig auf feste Nahrung zu verzichten? Wie viele Katholiken, auch in der Bavaria, ist auch für mich die Fastenzeit generell eine Zeit des Reduzierens und bewussten Verzichtens. Zusätzlich zu den üblichen Elementen sollte es nun also das Essen als Ganzes sein. Als Art des Heilfastens habe ich mich für die Buchinger-Methode entschieden. Diese nach einem renommierten Arzt benannte Art bezeichnet eine sieben- bis vierzehntägige „Kur“, in der man bewusst ohne Essen auskommen und auf mehreren Ebenen entschlacken soll. Erlaubt sind täglich etwa 200-500ckal, die sich aus einem Glas Saftschorle, ungesüßten Tees und etwa 250ml Gemüsebrühe zusammensetzen sollen – begleitet von viel Wasser. Für Sportler ist zusätzlich noch ein Proteinshake erlaubt, um nicht sofort Muskeln zu verlieren. Nach ein wenig Einlesen hatte ich einen passenden Zeitraum gefunden, und es konnte beginnen.

Samstag – der Vorbereitungstag

Einen Tag vor dem Beginn der eigentlichen Kur, sollte man einen Vorbereitungstag mit bereits verminderter Kalorienzufuhr und „leichter bis normaler körperlicher Tätigkeit“ einplanen. In meinem Fall ist das allerdings ein üblicher Samstag mit schwerer Forstarbeit: Hochentasten steht auf dem Plan. Nach einem normalen Frühstück geht es auf bis zu 10m in mächtige Eichen hoch, um dort oben einige zentnerschwere Äste abzusägen und am Boden zu zerkleinern. Die Nahrung an diesem Tag: zwei Äpfel und ein halbe Banane. Diese halbe Banane gegen 16 Uhr sollte nun mein letzter Bissen bis nächsten Sonntag gewesen sein; umso andächtiger kaue ich sie. Abends bin ich auf einer Siegerehrung, wo alle am Tisch um mich herum Schnitzel essen. Dank der gewohnten Enthaltung in der Fastenzeit juckt es mich nicht allzu sehr.

Sonntag – die „Spülung…“

Nun beginnt der Entschlackungstag. Nach dem Besuch der Kirche in der Früh (die Oblate können wir mal außer Acht lassen) steht der unangenehmste Teil des ganzen Vorhabens an: die Glaubersalzkur. Das Zeug schmeckt ekelhaft und die Wirkung setzt bereits nach einer halben Stunde ein. Der Erfolg: was bei meiner letzten Lebensmittelvergiftung in Kirgisistan drei Tage gedauert hat, ist nun in zwei Stunden vorbei – sogar ohne Bauchschmerzen. Am späten Nachmittag wage ich einen schönen Spaziergang. Abends gibt es die erste Tasse selbstgemachte heiße Gemüsebrühe. Hunger verspüre ich den ganzen Tag lang so gut wie gar nicht.

Montag – das einzige Tief

In der Nacht werde ich wegen Schmerzen wach – nicht vom Bauch her, sondern vom Karpaltunnelsyndrom. Als ich aber wach bin merke ich, dass mein Kreislauf völlig im Keller ist. Beim Aufstehen in der Früh und der Fahrt in die Arbeit bin ich wie mit einem hübschen Kater unterwegs. Der Vormittag geht dann aber soweit gut rum. Mittag begrüßt mich ein Arbeitskollege mit den Worten „Boah siehst du scheiße aus – hast du was geraucht?“ – so fühle ich mich zu dem Zeitpunkt auch. Aber es ist gut aushaltbar. Statt dem Mittagessen gibt es einen ausgedehnten Spaziergang, der mich wieder in Schwung bringt. Zu Hause geht es ans Kompost Sieben, eine zähe und schwere Arbeit. Doch sie bringt mich wieder in mein normales Schema und geht problemlos von der Hand. Gegen Abend habe ich kurz minimale Kopfschmerzen, die aber bald wieder vorbei sind.

Dienstag – wieder im Normalzustand

Heute geht es mir eigentlich fast normal. Das Glas Zwetschgensaftschorle gibt ein gutes Frühstück ab, der Tee am Vormittag belebt die Sinne, der Mittagsspaziergang tut wieder gut und die Gemüsebrühe abends tut ihr Übriges. Da ich sowieso immer am Aschermittwoch und Karfreitag gar nichts esse, ist es mein Körper anscheinend gewohnt mal etwas zu überbrücken. Langsam müsste allerdings der Hungerstoffwechsel beginnen. Ich merke es an zwei Dingen: zum Einen verbringe ich ungeplant meine Zeit damit, mir online Speisekarten und Rezepte durchzulesen, zum Anderen messe ich meine Vitalwerte: Blutdruck 106:72, Puls 49. Trotz dieser niedrigen Werte fühle ich mich normal und habe auch kein übersteigertes Hungergefühl.

Mittwoch – Selbsttest

Da ich nun für den Rest der Woche im Home Office bin, kann ich schauen ob das übliche Sportprogramm noch geht. Resultat: ich schaffe mehr Liegestütz als üblich, und alle anderen Übungen so wie immer. Mittags folgt wieder ein schöner Spaziergang bei herrlichem Wetter. Nachmittags wage ich mich in den Wald, um ein paar Äste vom Samstag weiter zu zerlegen. Hier merke ich tatsächlich ein paar Einschränkungen: mir fehlt etwas die Kraft, und ich bin langsamer als sonst. Mit einem etwa 35kg schweren Meterstück auf der Schulter zieht sich der Weg zum Anhänger quälend in die Länge. Doch trotz allem funktioniert das schwere Arbeiten und ich bringe einen vollen Anhänger Eichenholz mit heim. Vor dem Abladen brauche ich allerdings einen guten Schluck Birkenwasser, um etwas Zucker zu tanken. Die Gemüsebrühe bringt diesmal einen ungeahnten Kraftschub mit.

Donnerstag – neuer „Rekord“

Heute ist erstmal ein Plank-Workout zum Start in den Tag angesagt, welches ohne Probleme gelingt. Der Spaziergang zu Mittag ist inzwischen schon so zur Routine geworden, dass es fast schade wäre stattdessen etwas zu essen. Trotz des fehlenden Hungergefühls schaue ich mir Bilder vom Essen in Restaurants an. Dies ist inzwischen der längste Zeitraum ohne Nahrung für mich. Der bisherige Rekord von dreieinhalb Tagen war damals dem Liebeskummer geschuldet gewesen, entsprechend war ich damals auch in einem anderen Zustand. Heute aber fühle ich mich eher gekräftigt und vor allem willensstark. In einem macht sich das Extremfasten aber nun deutlich bemerkbar: ich bräuchte ein zusätzliches Loch im Gürtel. Außerdem sagt man mir, dass mein Gesicht eingefallen aussehe. Ansonsten ist das einzig für mich bemerkbare, dass ich etwas besser schlafe.

Freitag – das fehlende Zittern

Wieder geht es mir fast völlig normal. Kein Frieren, keine schlechte Laune, keine Kopfschmerzen. Mein Blutdruck liegt bei fast normalen 126:78 und der Puls bei 52. Ich suche mir ein passendes Rezept für die Kartoffelsuppe am Sonntag heraus und verbringe einige Zeit damit, alle möglichen Arten davon zu vergleichen. Abends bin ich auf einem Rundenwettkampf im Luftgewehrschießen. Hierbei geht es ja um eine absolut ruhige Hand, weshalb ich gespannt bin wie es wird. Tatsächlich stehe ich starr wie ein Felsen ohne das geringste Zittern im Stand und schieße nur einen Ring weniger als meinen bisherigen Rundenrekord. Die einzige merkliche Änderung war, dass ich das Gewehr nicht mehr so lange wie gewohnt im Anschlag halten konnte – das war‘s.

Samstag – Vorfreude

Den Großteil des Tages nimmt eine Ausbildung der Feuerwehr ein. Wir sind in Gruppen eingeteilt und müssen als Führungsassistenten einige Einsatzszenarien abarbeiten; eine Denkaufgabe. Zum Mittagessen gibt es Schnitzel mit Kartoffelsalat, auf die sich alle hungrig stürzen. Dass ich die zwei für mich kalkulierten Schnitzel weitergeben kann, erzeugt große Freude bei den Kameraden. Wie schon eine Woche zuvor macht es mir überhaupt nichts aus, ohne Futter zwischen allen anderen zu sitzen. Erst später am Tag macht sich das Gefühl breit, dass ja heute der letzte richtige Fastentag ist. Passend dazu ist auch der Topf mit Gemüsebrühe fast leer. Abends bin ich wieder schießen und bringe wieder ein super Ergebnis zustande.

Sonntag – Fastenbrechen

Nun ist der Tag des Essens gekommen. Er beginnt wieder mit der Kirche, wobei ich Gott danke dass ich das Ganze so gut überstanden habe. Zu Mittag gibt es dann den klassischen Apfel. Ich schaue mich in unserem Vorratskeller um und suche mir aus den zig Kisten Äpfel einen wunderschönen roten Mostapfel heraus, meine Lieblingssorte. Irgendwie habe ich aber immer noch kein Bedürfnis danach, ihn auch zu essen. Ich bin in einem Zustand, in dem ich das Ganze auch noch locker länger durchziehen könnte. Aber nachdem ich meinen abgemagerten Körper im Spiegel gesehen habe, ist es doch besser wieder „normal“ zu werden. Die Waage sagt, dass ich etwa 2-3kg verloren habe. Das macht die ersten Bissen des Apfels dann doch zu einem Genuss. Als ich mit ihm fertig bin, warte ich. Nichts. Kein Bauchgrummeln, kein zusätzlicher Appetit – nur das Bewusstsein, gerade einen Apfel gegessen zuhaben. Später bin ich Joggen, wobei ich mich auch wieder völlig normal fühle. Gegen Abend geht es ans Kochen: die von Buchinger vorgesehene Kartoffelsuppe – mit lauter Zutaten aus eigenem Anbau. Als die Suppe fertig ist, mache ich mich daran, sie wie in einem edlen Restaurant anzurichten: mit grob gehobeltem Parmesan darüber und frischer Petersilie. Sie schmeckt tatsächlich hervorragend und sättigt ordentlich.

Montag bis Mittwoch – Wiederaufbau

Die nächsten Tage gilt es, langsam wieder aus dem Hungerstoffwechsel herauszukommen. Dazu sind schrittweise Steigerungen auf 800, 1000 und 1200ckal angedacht. Die einzelnen Mahlzeiten halten erstaunlich lange satt, aber gleichzeitig kommt auch der Appetit wieder, sodass ich mich etwas zurückhalten muss. Das Wiederhochfahren läuft völlig unbemerkt ab; es gibt keine Bauchschmerzen oder sonstige Beschwerden. Der Puls steigt wieder auf 60, ansonsten fühlt sich der Körper genauso an wie davor. Schon am dritten Tag ist es, als ob ich nie einen Verzicht gehabt hätte.

 

Nach dieser einen Woche ist das Fazit zumindest für mich absolut positiv. Ich hatte fast keine Probleme, aber dafür wieder das Gefühl etwas geschafft und meinem Körper etwas Gutes getan zu haben. Nächstes Jahr werde ich es definitiv wieder versuchen, diesmal dann mit zehn Tagen. Natürlich gibt es auch Einschränkungen: das „Entschlacken“ sollte eigentlich auch bedeuten, dass man herunterfährt und die Seele baumeln lässt. Das war mit meinem Leben aber nicht vereinbar und hätte es vermutlich für mich schwerer gemacht. Ob ich es anderen trotzdem empfehlen würde? Ein klares „versuchs doch einfach!“. Jeder Mensch reagiert anders auf Nahrungsentzug, aber viele trauen sich gar nicht erst, es länger als ein paar Stunden zu versuchen. Ob man Nebenwirkungen hat und welche, das ist am Anfang noch völlig unklar. Am Ende ist es eine Kopfsache, und der Kopf sollte so oft es geht der Herr über den Körper sein. Wie immer kann ich euch nur meinen Lieblingssatz dazu mitgeben: „Woher willst du wissen dass du etwas nicht kannst, wenn du es noch nie versucht hast?“